Eine Handvoll Fragen an: Rasan Panikrath
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Vorab zu Ihrer Person: Wer sind Sie und was machen Sie beruflich?
Rasan Panikrath: Ich heiße Rasan Panikrath und komme aus Nepal. Meine Mutter ist Inderin und mein Vater Nepalese. Ich bin 25 Jahre alt und seit 5 Jahren in Deutschland. Meine Schulausbildung habe ich an einem buddhistischen Kloster erhalten und bin von dort aus nach Deutschland zum Studium geschickt worden. Das bedeutete meine Familie zu verlassen, ein schwerer Schritt, der mich heute noch frieren lässt. Einsamkeit ohne Familie ist schlimmer als Gefängnis. Ich studiere in Köln Physik und Mathematik und möchte später als Lehrer an unserer Schule in Nepal arbeiten. Dass das Thema Klimawandel eigens an einer Hochschule thematisiert werden muss, ist mir neu gewesen, gehört doch die Bewahrung der Schöpfung zum Lebensauftrag eines Nepalesen.
Frage 1: Was bedeutet der Klimawandel für Sie persönlich?
Rasan Panikrath: Bisher ist mir nur aufgefallen, dass die Regenzeit vier Wochen früher beginnt, als in meiner Kindheit. Tiere verhalten sich seltsam, wenn in der Natur etwas passiert. Der Gesang der Vögel bei Sonnenaufgang verstummt, große Schwärme fremder Schmetterlinge und Vögel haben sich in den letzten Jahren bei uns niedergelassen. Industrielle Debatten kann mein Land nicht wirklich führen, weil es sie nicht gibt. Alles ist nach wie vor Handarbeit, Maschinen sind selten und meist defekt, oder es gibt kein Benzin sie zu betreiben. Strom gibt es nur in der Stadt. Unser Tageslauf richtet sich nach Auf- und Untergang der Sonne. Das Wasser kommt aus den Bergen. Wir leben in Terrassenwirtschaft, die seit Jahrtausenden durch ein und denselben Wasserkreislauf geregelt wird. Bisher haben es auch schwere Regenfälle nicht vermocht, sie zum Einsturz zu bringen. Der Wald ist gesund und wie ein Schwamm, der alles bewahrt.
Frage 2: Wie engagieren Sie sich für das Klima bzw. gegen den Klimawandel?
Rasan Panikrath: Sich für das Klima zu engagieren ist in Nepal noch nicht notwendig, bei euch aber sehe ich viele Fehler bzw. verlorenenes Wissen mit Bergen umzugehen. Der Drachenfels zum Beispiel ist nicht mehr ursprünglich und natürlich bewachsen. So ein Bewuchs kann das Wasser nicht halten, ich sehe kaum Humus, kaum Insekten, der Wald sieht eher wie ein gepflegter Naturpark aus. Kein Wunder, dass der Drachenfels bröckelt. Der Kreislauf von Abschied und Wiederkehr in der Natur ist gestört. Jahreszeiten kennen wir in dem Sinne nicht. Der Kreislauf einer Periode richtet sich nach der Regenzeit. Alle Blumen aber blühen das ganze Jahr. Auch Früchte gibt es immer und überall, frisch. Sie müssen nicht als unreifes Zeug aus aller Welt herbeigekarrt werden. Man kauft sie sich nicht, sondern man pflückt sie. Man tauscht Getreide gegen Kleidung, die jemand näht. Geld spielt für uns keine lebensnotwendige Bedingung. In Deutschland aber braucht man für alles und jedes Geld, man findet aber als Student kaum eine Arbeit, von der man leben kann. Ich habe erst in Deutschland gelernt, was es heißt, arm zu sein. Bisher war ich das nicht.
Frage 3: Was und wie würden Sie gerne lernen, um Ihre Zukunft gestalten zu können?
Rasan Panikrath: Meine Religion gebietet es, das Glück zu suchen und im Vielklang der Natur zu leben, die Wiederkehr bedeutet. In Deutschland kennt man nur „im Einklang mit der Natur“ und bestätigt damit verbal noch seine Monokultur. Der Natur muss immer etwas abgegeben werden von dem, was man aus ihr isst, damit sie weiter ausgiebig spenden kann.
In der Beziehung kann ich in Deutschland sicherlich nicht viel lernen. Meine Studienfächer bringen es wohl mit sich, technisch und rational lernen zu können. Man sagt, das sei vernünftig. Vernunft aber hat keine Flügel, die sich über die Welt ausbreiten lassen. Freiheit aber ist der sinnvolle Einsatz der Vernunft.
Frage 4: Wo befindet sich Ihr Lieblings-Lernort und warum können Sie dort so gut lernen?
Rasan Panikrath: Mein liebster Lernort ist die Cafeteria. Hier ist man unter Menschen, wenn einem die Decke in der Bibliothek auf den Kopf fällt. Ungewöhnlich ist für mich, dass der Unibetrieb erst so spät am Tag anfängt, wenn wir in Nepal schon die erste Pause in der Arbeit machen, weil unser Tag mit dem Sonnenaufgang anfängt. So bin ich im Winter ganz besonders müde, da ich immer vor Sonnenaufgang aufstehen muss. Das ist schon verrückt. Ich bin wie ein Salamander, ich brauche die Sonne, um mich geistig bewegen zu können. Etwas mehr Garten an der Universität würde mich jeden Tag glücklicher machen.
Frage 5: Bitte erzählen Sie uns von Ihrem persönlichen Zukunftsbild: Wie sieht Ihr Alltag 2030 aus?
Rasan Panikrath: Im Jahr 2030 werde ich wieder in Nepal sein, entweder als Lehrer oder als Mönch, aber ich bin wieder bei meiner Familie. Meine erworbenen Kenntnisse in Mathematik und Physik, werde ich gerne an meine Schüler weitergeben und so die Welt nach Nepal bringen, in der Hoffnung, dass sie nicht unsere Natur zerstört, sondern eingeht in ihren ewigen Kreislauf.
Die Interviewfragen stellte Ute Giesen im März 2022.