Eine Handvoll Fragen an: Mona Sharma
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Vorab zu Ihrer Person: Wer sind Sie und was machen Sie beruflich?
Mona Sharma (49), Tochter einer Deutschen und eines Inders, Medien- und Comedy-Schauspiel-Trainerin. Ich unterstütze Menschen in meinem ganzheitlichen Ansatz dabei, sich in ihrem Berufsumfeld auf einer Bühne oder vor einer Kamera authentisch auszudrücken und ihr kreatives Potenzial zu entfalten.
Frage 1: Was bedeutet der Klimawandel für Sie persönlich?
Mona Sharma: Den Klimawandel nehme ich als einen Teil von mir selbst wahr, der mich in die Verantwortung nimmt. Er aktiviert meine Dankbarkeit, Scham, Schuld und Demut der Natur gegenüber. Er schärft mein Bewusstsein für die Wichtigkeit eines humanitären Gleichgewichts auf der Welt. Ich denke mit Sorge und Scham an mein Kind und alle Kinder, denen wir eine Natur, an der wir Raubbau betrieben haben, hinterlassen. Kürzlich hörte ich einen alten Mann, der in Russlandgefangenschaft war, sagen, dass er sich in seinem Leben jetzt im Angesicht des Ukraine-Krieges schuldig fühle, nicht mehr für die Völkerverständigung zwischen Deutschland und Russland getan zu haben, um altes Trauma aufzuarbeiten. Ähnlich fühle ich mich, was unseren Umgang mit Natur, Konsum und Umwelt betrifft. Ich habe gesundes Leben in meinen ersten Lebensjahrzehnten als selbstverständlich empfunden. Heute weiß ich, wir müssen mehr dafür tun, um ein gesundes Klima wiederherzustellen und zu erhalten.
Frage 2: Wie engagieren Sie sich für das Klima bzw. gegen den Klimawandel?
Mona Sharma: Bei dem Wort Engagement denkt man gleich daran, sich einer Umweltgruppe o.ä. anzuschließen. Mein Engagement liegt eher im Kleinen. Sich selbst in die Pflicht zu nehmen, biologisch einzukaufen, weniger Fleisch zu konsumieren, auf natürliche Reinigungsmittel umzustellen, die Notwendigkeit von Flugreisen abzuwägen, Plastik massiv einzuschränken (Ich wasche meine Haare z.B. mit Roggenmehl und Apfelessig, was in Deutschland produziert wird und keine Plastikverpackung benötigt. Hört sich schlimmer an als es ist, die Umgewöhnung vollzog sich sehr schnell.), nicht kopflos beim Versandhandel bestellen oder unnötig Transport verursachen. Ich praktiziere deutlich mehr Upcycling und kaufe wenig Neues, nutze Tauschbörsen auf Nachbarschaftsportalen. Es gibt sehr vieles, dass man im Alltag umstellen kann.
Mir ist es auf zwischenmenschlicher Ebene immer wichtig, dass wir uns bei all dem nicht nur mit Gleichgesinnten unter einer Käseglocke befinden. Da ich aus Indien stamme, habe ich Erfahrung damit, dass ein riesengroßer Teil der Weltbevölkerung überhaupt kein Umweltbewusstsein hat. Da wird Plastik ohne Ende produziert, im Kleinen, sowie im Großen Müll und Chemikalien einfach in die Natur geschüttet. Müll ist in großen Teilen der Erde ein Teil der Vegetation geworden, nichts das man noch wahrnimmt oder mit Achtsamkeit behandelt. Diese Tatsache hat mich schon immer ohnmächtig fühlen lassen. Dieses Verhalten erlebe ich teilweise auch in Deutschland, vor allem im Umfeld von Migranten oder Menschen mit weniger Bildungshintergrund, aber nicht nur! Es scheint, als hätten sehr viele dieser Menschen keinen Bezug zur Natur und spürten keine Verantwortung für ihr Handeln. Wenn ich Studenten anspreche, die ihre Grillkohle und Abfälle in den Poppelsdorfer Weiher werfen, Menschen Wandfarbenreste in die hinterste Ecke ihres Gartens schütten oder Abfälle in den Wald kippen, ernte ich Unverständnis und gelassene Abwehr. Desinformation und zero Schuldbewusstsein, der Tenor: „Als ob meine Handlung etwas ausmachen würde, wenn die Industrie ja auch ihren Müll in die Meere kippt!?“.
Vielleicht besteht mein Engagement nur darin, dass ich nicht aufgegeben habe und meine Wut nicht herunterschlucke, sondern mich mit solchen Situationen konfrontiere. Vielleicht bleibt danach etwas zurück in deren Köpfen. Nicht weil ich es besser weiß, sondern weil sie merken, dass mir die Natur am Herzen liegt, ein echtes Anliegen ist, eine zu achtende Koexistenz darstellt. Vielleicht aber auch nicht. Dann habe ich aber dennoch Umwelt-Zivilcourage gezeigt. Ich finde, wir müssen mehr Lösungen erarbeiten, wie Umweltbewusstsein Bevölkerungen erreicht, die wie in einer Parallelwelt an diesem Thema vorbeileben. Ich bin davon überzeugt, dass der Konsument den Handel bestimmt und nicht andersherum. Zumindest ist dieses Potenzial nicht annähernd ausgeschöpft. Unser Kaufverhalten entscheidet über Klimazerstörung, politische und wirtschaftliche Entscheidungen. Geld regiert die (Um)welt. Mit jedem Einkauf oder Verzicht, gestalten wir die Umwelt, in der wir leben wollen.
Frage 3: Was und wie würden Sie gerne lernen, um Ihre Zukunft gestalten zu können?
Mona Sharma: Ich bin ein praktischer Mensch und lerne durch Vorleben und Austausch. Früher gab es die Avon-Beraterin und den Staubsaugervertreter an der Haustüre. Heute könnte es wieder Menschen geben, die an der Türe schellen und den Anwohnern 3 nützliche Tipps geben, wie sie mit wenig Aufwand, umweltfreundliches in ihren Alltag integrieren können. Die Menschen sehnen sich wieder nach mehr Nahbarkeit. Digitale Angebote, Werbung, Stände in der Innenstadt, die einen in Moralhaft nehmen wollen: Das alles löst bei den meisten nur Abwehr und Wegducken aus. Aber mit unmittelbaren Tipps zur Umsetzung, gibt man Menschen etwas an die Hand und ringt ihnen nichts ab. Letztlich geht es darum mehr Bewusstsein zu schaffen.
Frage 4: Wo befindet sich Ihr Lieblings-Lernort und warum können Sie dort so gut lernen?
Mona Sharma: Ich lerne am liebsten und am meisten von Freunden. Weitere Umsetzungsmöglichkeiten suche ich meist in Form von Youtube-Tutorials. Ich lerne auch durch Krankheiten und Missstände. Die Frage, was Mensch und Natur gesund macht, führt mich dann zu Inspirationen und Lösungen. Ich glaube, dass Eigenbeteiligung Lernen fördert. Ich habe z.B. einen Garten, dieser fördert mein Interesse an umweltbewussten Verhalten. Wenn es nicht nur in hippen Vierteln Gemeinschaftsanbaugärten zur Selbstversorgung gäbe, sondern in sozialen Wohnbaugebieten etc. Normalität wäre, dann könnte so etwas das Bewusstsein für umweltbewussten Selbstanbau auch in solchen Wohngebieten fördern, weil sie sich als Mitgestalter und Nutznießer dessen erleben könnten.
Frage 5: Bitte erzählen Sie uns von Ihrem persönlichen Zukunftsbild: Wie sieht Ihr Alltag 2030 aus?
Mona Sharma: 8 Jahre sind für mich in meinem Alter gefühlt sehr schnell vorbei. Ich bin Realistin und glaube nicht, dass sich in dieser Zeit außerordentlich viel verändern wird. Ich glaube aber immer an die Dynamik eines Generationenwechsels. Mein Kind z.B. möchte gar keinen Führerschein machen, weil es aus Umweltgründen kein Auto will. Vieles wird also nicht mehr blind nachgelebt, anderes wird neu und als selbstverständlich etabliert (Fleischkonsum einstellen, Sharing, Gemeinschaftsbesitz etc.), allein das wird Wandel bewirken. Ich bin stolz auf die Generation „Fridays for Future“, sie wird uns Alte zu Recht weiter herausfordern und in die Pflicht nehmen.
Für einen wichtigen Aspekt für eine positive Veränderung zugunsten der Umwelt halte ich den Faktor Zeit. In den letzten Jahrzehnten hat sich unser Leben rasant beschleunigt. Alles musste schneller und effizienter werden. Heute bestellen – morgen erhalten, umweltschädliche Mittel einsetzen, um schnelles Wachstum zu erwirken, Convenience Food und verzehrfertige Produkte überschwemmten den Markt, Plastikverpackung in schwindelerregendem Ausmaß. Es ist eine Konsumwelt entstanden, in der niemand Zeit hat und Zeit somit zum absoluten Luxusgut geworden ist. Um Umweltziele umzusetzen, muss dahingehend ein Umdenken von uns Verbrauchern stattfinden. Menschen müssten z.B. wieder bereit sein auf Waren zu warten, weil sie noch nicht durch natürliches Wachstum oder Aufzucht zur Verfügung stehen. Es müsste Arbeitnehmern durch moderne Arbeitszeitmodelle (und Selbstständigen durch Absicherungsmodelle) mehr Autonomie in der Verwaltung ihrer Arbeits- und Lebenszeit gewährt werden. Es ist heutzutage in vielen Arbeitsbereichen unsinnig, sich 5 Tage durch den Verkehr in die Firma zu schleppen, um dort etwas zu tun, das man auch zu Hause vollbringen kann.
Die Zeiteinsparung durch Homeoffice und Fahrtwege ist notwendig, um die gewonnene Zeit mit mitunter kleinteiliger umweltbewusster Umsetzung von ökologischerem Alltag zu bewältigen (pflanzen, ernten, kochen, Fahrrad statt Auto zum Einkauf, sharing etc.).
Ich glaube, dass sehr viele Menschen zu diesen Schritten bereit sind und sich diesen sogar herbeisehnen. Die Welt ist zu schnell geworden. Menschen brauchen und wollen mehr Zeit zum bewussten Leben. Zum gesünderen Leben für sich und die Umwelt. Erweiterter Klimaschutz im Alltag erfordert Zeit.
Meine Oma hat vollkommen vorbildlich ökologisch gelebt mit Selbstversorgung etc. und war dabei Vollzeit berufstätig. Sie musste nie Arbeit mit nach Hause nehmen, an den Wochenenden arbeiten oder hatte Schlafprobleme, weil sie durch ihre Arbeitsstelle überlastet war. Wenn die Arbeitszeit zu Ende war, war Schluss. Wer kann das heute noch von sich sagen?
Für mich gehören der Faktor Zeit und Klimaschutz untrennbar zusammen. Ich wünsche mir, dass dahingehend in den nächsten Jahren ein starker Wandel stattfindet.
Die Interviewfragen stellte Kathrin Rosi Würtz im März 2022.