Eine Handvoll Fragen an: Kirsten von Elverfeldt
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Vorab zu Ihrer Person: Wer sind Sie und was machen Sie beruflich?
Ich bin Geographin und als assoziierte Professorin an der Universität Klagenfurt beschäftigt. Zugleich engagiere ich mich sehr stark bei Scientists for Future: So habe ich beispielsweise die Regionalgruppe Kärnten gegründet und bin auch Mitglied des S4F-Fachkollegiums.
Frage 1: Was bedeutet der Klimawandel für Sie persönlich?
Kirsten von Elverfeldt: Das ist eine sehr schwierige Frage. Persönlich bedeutet der Klimawandel – bei dem ich übrigens lieber von der Klimakrise spreche – für mich viele verschiedene Dinge, die sich teilweise abwechseln oder auch überlappen. Unlängst bedeutete der Klimawandel für mich beispielsweise immens viel Frust: So saß ich am 28.2.22, als der IPCC-Report der Working Group 2 veröffentlicht wurde, in einem Meeting mit einer Abteilung einer österreichischen Stadt. Diese Abteilung ist durchaus sehr engagiert, was Klima- und Umweltschutz betrifft, sie versuchen da wirklich einiges, um diese Stadt klimafit zu machen. Während des Meetings habe ich Nachrichten zum IPCC-Report erhalten, u. a. dass sich das Zeitfenster für 1,5° C in naher Zukunft schließen wird. Gleichzeitig sprach ein Abteilungsvertreter davon, dass wir „halt die Politik noch davon überzeugen müssen, wie wichtig Klimaschutz ist“. Danach war ich erst einmal verzweifelt: Wir sprechen – je nachdem, wann wir den Startpunkt setzen – seit über 100, mindestens aber seit über 50 Jahren vom Klimawandel. Wir erklären, erforschen, drängen auf Handeln. Und jetzt, wo wir nur noch die nächsten, 5, 6, 7, 8 Jahre Zeit haben, müssen wir noch immer Menschen überzeugen? Gleichzeitig nehme ich das und die Zeit, die uns durch die Finger rinnt, als Anlass dafür, meine eigenen Bestrebungen zu intensivieren, privat wie beruflich.
Frage 2: Wie engagieren Sie sich für das Klima bzw. gegen den Klimawandel?
Kirsten von Elverfeldt: Privat ärgere ich mich oft darüber, dass es in einem stressigen Alltag manchmal unglaublich schwierig ist, sich klimagerecht zu verhalten. Privat wie beruflich vertrete ich die Ansicht, dass in kleinen Entscheidungen große Macht liegen kann: Genauso, wie viele kleine Entscheidungen dafür sorgen können, dass beispielsweise eine Bahnlinie stillgelegt wird („Tyrannei der kleinen Entscheidungen“ von Kahn), können viele kleine Entscheidungen dafür sorgen, dass es mehr und bessere Fahrradwege gibt usw. Beruflich trete ich nun auch verstärkt in den Medien auf, in der Hoffnung, etwas zu bewirken – obwohl mich das unglaublich viel Zeit kostet und ich lieber „einfach nur forschen“ würde. Ich bin bei Scientists for Future aktiv, nehme an den Freitagsstreiks teil, so oft es mir möglich ist, fahre Fahrrad (kein E-Rad!) oder bin zu Fuß unterwegs, so oft es geht. Ich forsche, lehre, rede, tweete, … und handle, wo es mir möglich ist. Ich sehe nicht ein, warum man im Winter in seiner Wohnung im T-Shirt sitzen muss, weshalb man mich winters zuhause warm eingemummelt antrifft. Frieren tue ich übrigens deswegen nicht und würde das auch von niemandem verlangen! So tut es nicht weh und schränkt mich nicht ein. Auch sonst versuche ich, meinen Energieverbrauch gering zu halten, kaufe Bio-Ware und nach Möglichkeit regional und versuche, in unserer Familie den Fleischverbrauch deutlich zu reduzieren (scheitere aber leider oft).
Frage 3: Was und wie würden Sie gerne lernen, um Ihre Zukunft gestalten zu können?
Kirsten von Elverfeldt: Ich würde gerne lernen das zu tun, was wir müssen – nicht das, was ich kann. Dabei habe ich leider noch keine genaue Vorstellung, welche Strategien uns dazu bringen würden, in den wenigen verbleibenden Jahren noch das Ruder rumzureißen. Wenn also jemand konkrete Ideen hat, bitte mich gerne kontaktieren! Ich glaube jedenfalls, dass wir viel mehr auf Umweltpsycholog:innen und Gesellschaftswissenschaftler:innen hören müssten; von ihnen können wir sicher viel lernen. Außerdem gibt es natürlich in anderen Ländern ganz viel Wissen, viele sind uns deutlich voraus in ihren Maßnahmen. Ich glaube, wir müssen lernen, einfach zu tun; geredet haben wir wahrlich genug.
Frage 4: Wo befindet sich Ihr Lieblings-Lernort und warum können Sie dort so gut lernen?
Kirsten von Elverfeldt: Das ist jetzt gar nicht so leicht zu beantworten – es kommt ein bisschen darauf an, wofür und was ich gerade lerne. Ich denke zum Beispiel unheimlich gerne beim Spazierengehen über Dinge nach, die ich schreiben oder sagen muss (will) und sortiere da ganz viel vor und kann gut verschiedene Aspekte verknüpfen. Ganz früh morgens klappt das besonders gut, wenn noch niemand sonst unterwegs ist, die Luft frisch und „unverbraucht“ ist sowie eine tolle Stimmung mit Sonnenaufgang und Vogelgezwitscher. Wenn ich Texte schreibe, hilft mir oft ein „Retreat“, also ein Rückzug an einen anderen Ort als die Alltagsorte Büro oder Wohnzimmer (in dem ich zuhause arbeite). Diese Rückzugsorte können eine Berghütte sein oder auch eine Unterkunft (auch einfach ein Zelt) am Meer. Wenn ich raus aus dem Alltag bin, bin ich einfach deutlich kreativer und fokussierter.
Frage 5: Bitte erzählen Sie uns von Ihrem persönlichen Zukunftsbild: Wie sieht Ihr Alltag 2030 aus?
Kirsten von Elverfeldt: Ich hoffe, wesentlich weniger stressig! Generell würde ich mir tatsächlich eine Viertageswoche wünschen – das wird ja mancherorts bereits erprobt und scheint gut zu funktionieren. Ich hoffe zudem, dass ich nicht mehr so weit weg von Teilen meiner Familie bin, denn das bedingt zum einen, dass wir uns viel zu wenig sehen und zum anderen, dass ein Gutteil meiner Treibhausgasemissionen auf die Fahrten zurückgehen. Ich hoffe auch, dass ich selbstbestimmter leben kann, also dass ich beispielsweise energetisch autark(er) sein werde. Last but not least würde ich mir gesamtgesellschaftlich vorstellen, dass wir (wieder) lernen, Ambiguitäten auszuhalten und wertschätzend und verständnisvoll miteinander umzugehen.
Website von Kirsten von Elverfeldt
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Die Interviewfragen stellte Nele Frenssen im März 2022.